Michaels Aufenthalt an der Mercersburg Academy (2013/14)

Mercersburg, Pennsylvania, USA

Hi, ich heiße Michael und bin Schüler auf der Mercersburg Academy in Pennsylvania. Ich gehe in die 10. Klasse, bin also ein “Sophomore”. Dies ist mein erstes Jahr in den USA.

Mein USA-Erlebnis startete mit einem Info-Abend der “ssb-Nottebohm” an meiner Schule. Rein aus Interesse haben meine Eltern und ich daran teilgenommen um etwas über amerikanische Internate (“Boarding Schools”) zu erfahren, die sich an diesem Abend vorstellten. Wir haben Schüler gehört, die von ihren tollen Erfahrungen berichteten und auch Repräsentanten von den einzelnen Schulen. Am Ende verließ ich den Raum dann mit tausend Flyern, ein paar Kugelschreibern und super Eindrücken von all diesen Schulen - natürlich mit dem Favorit “Mercersburg”. Zunächst blieb es aber mehr oder weniger ein Traum an eine dieser Boarding Schools zu gehen: Erstens weil sie doch sehr weit weg sind und ich von meinen Freunden und meiner Familie getrennt werden würde, und zweitens weil sie außerdem ziemlich viel Geld kosten und das gut überlegt sein sollte. Trotzdem kamen mir diese Schulen nicht mehr aus dem Kopf und ich hatte mir mittlerweile fest vorgenommen dorthin gehen zu wollen, so rein nach dem Motto: “Es ist doch eh nur ein Jahr!”. Nach langer Überlegung (und Überredungskunst meinerseits) waren meine Eltern dann auch einverstanden, zumindest Frau Nottebohm auf ein erstes Gespräch anzusprechen. Dieses erste Gespräch brachte dann endlich den Ball zum Rollen, und der Wunsch auf eine Boarding School zu gehen wurde erhört. Bewerbungen wurden ausgefüllt, mein Visum wurde beantragt und nach einigen langen Monaten fand ich mich im Juni auch schon auf dem ssb-Vorbereitungsseminar in Heidelberg wieder - eine Art Vorstufe zur richtigen Boarding School!

Zuallererst war ich (ich denke wie die meisten) sehr aufgeregt vor dem Seminar. So viele Fragen hatten sich bei mir aufgetan und ich platzte schon bald vor Aufregung. Das ssb-Seminar hat mir viel dieser Aufregung genommen und mich kompetent auf das nächste Schuljahr vorbereitet. Wir haben unsere Englisch-Kenntnisse aufgebessert, Allgemeinwissen der USA aufgebaut und einen Einblick in das Leben einer Boarding School bekommen, sei es in Rollenspielen, English-Sprechen mit Alumni oder beim Sport morgens. Nun fühlte ich mich endlich bereit für das Leben in den USA, und schon nach den diesmal viel zu langen Sommerferien (ich hätte nie gedacht, dass ich das mal sagen würde) fand ich mich gegen Ende August auf dem großartigen Mercersburg Academy Campus wieder. Hello, new world!

Die erste Woche auf Mercersburg startete erstmal sehr entspannt. Vor Schulbeginn war eine Woche “Preseason” eingeplant. In dieser Woche gab es Führungen über den Campus und wir lernten Schüler und Lehrer kennen (Unterricht gab es noch nicht). Des Weiteren spielten wir schon aktiv in unserer ausgewählten Sportart für den Fall Term mit und außerdem wurden Trips in die umliegenden Städte angeboten, hauptsächlich aber zu “Walmart". So gab es sehr viel Zeit um sich erst einmal so richtig einzuleben, Freunde zu finden und den Campus zu erkunden. Natürlich lernten wir auch unseren neuen Roommate kennen, was für mich doch nicht ganz so glücklich gelaufen ist. Um ganz ehrlich zu sein, mein Roommate und ich kamen schon von Anfang an überhaupt nicht miteinander klar: Wir hatten einen unterschiedlichen Musikgeschmack, hatten eine andere Idee von einem sauberen Zimmer, mochten andere Zimmertemperaturen/ Helligkeiten, andere Hobbies und hatten einen anderen Schlafrhythmus. Puh! Da war es nie einfach uns beide zufrieden zu stellen und es gab leider viel Gezanke. Doch nach und nach besserte sich die Situation doch ein wenig. Wir haben versucht, Kompromisse zu schließen und es hat irgendwie auch geklappt sich dann mal nicht mehr zu stören, wenn auch nicht ganz. Viel geredet (vor allem English) oder Spaß hatten wir aber doch nie zusammen. Trotzdem fühlte ich mich in meinem Dorm sehr wohl.

Freunde

Ein großer Vorteil einer Boarding School ist definitiv, dass man von zahlreichen Freunden umgeben ist. So ergab es sich, dass ich abends nach den Hausaufgaben einfach zu Freunden in die Zimmer gegangen bin und dort “abhängte”. Ich denke in meinem Zimmer hielt ich mich tagsüber nur so ca. 10 min auf. Vormittags war ich in der Schule, nachmittags beim Sport, abends während den “study-hours” in der Bibliothek und danach bei Freunden im Zimmer. So ließ es sich aushalten. Eine weitere Sache an die es sich zu gewöhnen galt, waren die Hausaufgaben! Während ich in Deutschland nicht so viel Zeit in Hausaufgaben investieren musste, waren es in den USA auch mal gute 2 Stunden intensiver Arbeit. Es galt einen Essay in English zu schreiben, 20 Seiten in History zu lesen und mehrere Fragen zu beantworten, 10 “problems” in Mathe zu bewältigen, Aufgaben in einer Fremdsprache und Naturwissenschaften zu machen und wenn dann noch ein Test bevor stand, wurde es ein sehr langer Abend. Trotzdem soll das nicht abschreckend klingen, das Lernen auf Mercersburg hatte mir auch sehr viel Spaß gemacht! Ich war zum Beispiel immer mit meinen Freunden in der Bibliothek, konnte Lehrer auf dem Campus fragen, falls ich mal etwas nicht ganz verstanden habe und da jeder um mich herum zu der gleichen Zeit lernte, hatte man sich ziemlich schnell an das alles gewöhnt und mittlerweile werde ich auch schon etwas früher fertig. Ansonsten war ich sehr positiv vom Campusleben überrascht. Die Klassen am Morgen sind so klein (max 10 Schüler) da wird der Unterricht schon mal viel spannender und man wird automatisch miteinbezogen. Außerdem arbeiten wir auf Mercersburg alle mit iPads im Unterricht, auf denen wir unsere Schulbücher als E-Books haben und wenn man möchte auch seine Notizen machen darf. Der Sport am Nachmittag ist auch super und Mercersburg bietet klasse Räumlichkeiten an um fit zu bleiben. Am Campus befindet sich, neben dem typisch amerikanischen “football-field”, ein Fitnessstudio, eine Kletterwand, ein Schwimmbecken und vieles mehr. Ich beteiligte mich im Herbst an dem sog. Mercersburg Outdoor Education Programm (MOE). Mit einer Gruppe von ca. 30 Personen verließen wir oft den Campus um etwa Mountainbiken zu gehen, zu Klettern oder Kayak zu fahren. Es war einfach der Wahnsinn und ich würde es jedem weiter empfehlen.

Eine andere Sache die für mich erstmal einzigartig war, sind die Mittag- und Abendessen an denen wir alle zusammen (über 400 Schüler) in der “Dining Hall” sitzen und essen. Das kam mir zuerst vor wie in “Harry Potter” - und es ist auch ein wenig so. Jedenfalls ist es immer wieder aufs Neue schön zum Lunch oder Dinner zu gehen.
 
Fun Event

Nachdem ich mich so langsam richtig eingelebt hatte, standen auch schon die Thanksgiving Ferien vor der Tür und ich war erst einmal dankbar für eine Pause. In den ersten Wochen hatte ich so viel Neues erlebt und nie Langeweile oder gar Heimweh gehabt. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob ich mehr als ein Mal nach Deutschland telefoniert hatte. Auch die Wochenenden waren immer mit Programm gefüllt. Samstags war ich meistens mit MOE campen oder biken und sonntags war ich entweder auf einem Paintball oder Shopping Trip oder war mit Hausaufgaben beschäftigt.

Alles in allem ist der Herbst auf Mercersburg einzigartig. Es gab Konzerte, Theateraufführungen, Alumni-Treffen, die Eröffnung eines neuen “Student-Centers” und sogar eine Spende für die Schule in der Höhe von 100 Millionen Dollar. Diese schöne Zeit wird mir nie mehr aus dem Kopf gehen.

Meine ersten Ferien in den USA wurden dann aber auch zum Highlight! Ich besuchte meinen besten Freund auf der Schule, bei ihm Zuhause und erlebte zum allerersten Mal ein typisch amerikanisches Thanksgiving mit viel Essen und einem riesigen Truthahn. Ich finde einen Freund in den Staaten zu besuchen ist ein Privileg, das man unbedingt nutzen sollte, wenn man die Möglichkeit dazu hat. In den 2 Wochen habe ich das Familienleben in einem amerikanischen Haushalt miterlebt und auch beliebte Aktivitäten der Amerikaner ausprobiert: ich habe zum Beispiel mit Waffen geschossen, gejagt, Racketball gespielt, Football und Baseball geschaut, ich bin ins Kino und zum Bowling gegangen und hab außerdem auch noch andere amerikanische Jugendliche kennengelernt und enge Freundschaften geknüpft.

Nach den Ferien galt es sich noch einmal 2 Wochen zu konzentrieren, was mir nach den aufregenden letzten Wochen gar nicht so einfach fiel, und dann waren auch schon Weihnachtsferien. Obwohl viele internationale Schüler über die Festtage nach Hause geflogen sind, habe ich mich dagegen entschieden. Aus dem Vorbereitungsseminar in Heidelberg hatte ich entnommen, dass es sich in jeder Hinsicht lohnt einmal so ein richtiges “American X-Mas” zu erleben, und dabei blieb es. So verbrachte ich die Weihnachtsferien wieder bei einem Freund, der sich wahnsinnig freute, einem “Nicht-Amerikaner” zu zeigen wie seine Familie und er Weihnachten feiern. Zuallererst galt es in den großen Shopping-Malls die letzten Weihnachtsgeschenke zu besorgen und dann fuhren wir alle zusammen in ein schneeüberdecktes 5-Sterne Hotel-Resort. Ich war überwältigt. Wir sind Schlitten gefahren, Schlittschuh gelaufen und haben uns auch viel im Inneren des Hotels aufgehalten. Weihnachten war dann aber wieder ganz unter der Familie und am Morgen des 25. Dezember gab es, nach einem großartigen Weihnachtsessen am Abend zuvor, ein friedliches Geschenkeauspacken.

Die Ferien vergingen wie im Flug und Anfang Januar fand ich mich auf dem Mercersburg Campus wieder. Dort schlug der Winter jetzt so richtig ein: Schneestürme kamen aus Kanada und es herrschten Temperaturen teilweise unter -25 Grad Celsius. Schule hatten wir, bis auf einen “Snowday” an dem die Schule ausfiel, trotzdem. Die Zeit nach Weihnachten war zugegeben ein wenig deprimierend. Ich hielt mich den ganzen Tag im Inneren auf, war belastet wegen der ganzen Hausaufgaben und hatte zum ersten Mal nach ca. 5 Monaten ein wenig Heimweh. Doch andererseits genoss ich meine Nachmittage sehr. Im Winter fing ich an Squash zu spielen und habe es in den hart umkämpften “try-outs” in die Mannschaft geschafft. Ich hatte schon viel Erfahrung im Tennis gesammelt, doch Squash war dann doch etwas ganz anderes. Während meiner Zeit im Squash-Team knüpfte ich viele neue Kontakte und an den Wochenenden hatten wir immer Spiele auf anderen Boarding Schools aus der Umgebung. Durch unseren Trainer entwickelte ich mich technisch und physisch in kurzer Zeit sehr viel weiter. Ich erlebte echten Teamgeist und Herausforderungen.

Competition

Doch der Winter Term auf Mercersburg hatte noch viel mehr zu bieten: Die IRVING-MARSHALL Week. Alle 400 Mercersburg Schüler sind einer sogenannten “Society” zugeteilt die nach amerikanischen Autoren benannt sind. Das kann man sich ungefähr so wie auf Hogwarts (von Harry Potter) vorstellen, bloß, dass es nicht “Gryffindor” etc gibt, sondern die “Washington Irving Literary Society” (in rot-weiß) und die “John Marshall Literary Society” (in blau-gelb). Diese zwei Societies liefern sich Ende Februar immer einen Wettbewerb in Sportarten wie Schwimmen, Basketball, Wrestling, Squash und mehr. Außerdem gibt es eine “Debate” und die “Declamation”, bei der Vertreter der Societies verschiedene Monologe aufführen müssen. Ich bin Mitglied der Irving Society, die in meinem Jahr leider den Wettbewerb (knapp) verlor, obwohl wir die Declamation gewannen. Die Zeit in der Irving-Marshall Week ist klasse und man wird richtig ins Mitmachen und Anfeuern “hineingezogen”. Wir haben gejubelt, geschrien, uns Herausforderungen gestellt und sehr viel Spaß gehabt. Man realisiert aber erst wie toll diese Woche ist, wenn sie wieder vorbei ist. Aber dennoch heißt es für mich und alle anderen Irving Mitglieder: “LET’S BEAT MARSHALL, NEXT YEAR!”